Die Abbildung zeigt Mars und Venus als heimliche Liebende. Das Paar wird unbekleidet und einander zugewandt, die langen Gliedmaßen typisch manieristisch ineinander verschränkt dargestellt. [1]
Die göttliche Begegnung wird in ein antikisierendes Schlafgemach eingebettet, verdeutlicht durch den Pilaster neben der Fensteröffnung am rechten Bildrand, vor welche Putti den Baldachin in die Höhe ziehen, um Mars und Venus vor den Augen des Sonnengottes Phoebus zu verstecken.
Als Vorbild diente ein Kupferstich Hendrick Goltzius‘ (1558-1617) nach Bartholomäus Spranger (1546 -1611), erschienen erstmalig 1588 (Bild sehen). Eine Version des III. Zustands dieser Druckgraphik befindet sich auch in der Sammlung der Universität und Staatsbibliothek Hamburg (Bild sehen). Levezow fertigte seine Zeichnung jedoch vermutlich nach einer anonymen Kopie, spiegelverkehrt zu Goltzius‘ Originaldruck, von der sich ein Abzug im Département des estampes et de la photographie der Bibliothèque nationale de France befindet. [2] Gegenüber der Vorlage verzichtet Levezow auf eine genaue Ausarbeitung der Landschaft unter Phoebus‘ Sonnenwagen. Eine weitere Abweichung lässt sich in Venus‘ Gürtelschnalle erkennen. So scheint diese durch Goltzius mit dem Kopf eines Löwen verziert, der ein verbindendes Element mit dem Schild des Mars eingeht. Im Album erinnert die Verzierung jedoch an ein menschliches Profil.
Die Zeichnung von Mars und Venus wird sowohl im Album als auch in der Vorlage am unteren Rand durch lateinische Verse erweitert. Ergänzende Texte waren in der Druckgraphik des 16. Jahrhunderts üblich, da sie als hybride Form der Wissens- und Moralvermittlung fungierten. [3] Bekannt aus Homers Odyssee (VIII, 266-365) und den Metamorphosen des Ovid (IV, 171-189), widmete sich Hendrick Goltzius der Geschichte um Mars und Venus, die von Phoebus entdeckt und an Venus‘ Ehemann Vulkan verraten werden, bereits in einem Stich aus dem Jahr 1585 (Bild sehen). [4] Anders als dort wird in der Graphik von 1588 jedoch auf den Moment und die Folgen der Entdeckung verzichtet. So bleibt der Augenblick zwischen Liebesgöttin und Kriegsgott intime Zweisamkeit. Die Aufspürung durch Phoebus lässt sich von den Betrachtenden zwar bereits erahnen, hat für die Liebenden jedoch noch nicht stattgefunden. Die ergänzende Inschrift „Mundi oculus Phoebus, mundi Lux, omnia cernit“ – „Auge der Welt Phoebus, Licht der Welt, der alles sieht“ mahnt zwar zum Thema Ehebruch, die bildliche Umsetzung verzichtet indes jedoch auf eine Moralisierung im Sinne der Darstellungstradition zum antiken Sujet. [5]
[1] Vgl. Bestechend gestochen. Das Unternehmen Hendrick Goltzius, hrsg. v. Ariane Mensger, Kunstmuseum Basel, Ausst.-Kat. Basel, Kunstmuseum Basel – Kupferstichkabinett, München 2016, S. 42 f., Nr. 9.
[2] The New Hollstein Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700: Hendrick Goltzius, Part II, komp. v. Marjolein Leesberg, hrsg. v. Huigen Leeflang, Ouderkerk aan den Ijssel 2012, S. 310 f., Nr. 340.
[3] Vgl. Petra Wandrey: Ehre über Gold. Die Meisterstiche von Hendrick Goltzius, Berlin 2018, S. 35; sowie ausführlich zum Thema: Alexander Estis/Julia Frick: Adde operi titulum pictor. Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Text und Bild in frühneuzeitlichen Kupferstichen, in: Manier, Mythos und Moral. Niederländische Druckgraphik um 1600 aus den Beständen der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, hrsg. v. Iris Wenderholm, Ausst.-Kat. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Petersberg 2014, S. 24-35.
[4] Vgl. Die Masken der Schönheit. Hendrick Goltzius und das Kunstideal um 1600, hrsg. v. Jürgen Müller, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 2002, S. 52 f., Nr. 7 (Petra Roettig).
[5] Vgl. Verwandlung der Welt. Meisterblätter von Hendrick Goltzius, hrsg. v. Stephanie Stroh, Anne-Katrin Sors und Michael Thimann, Ausst.-Kat., Freiburg und Göttingen, Haus der Graphischen Sammlung im Augustinermuseum, Städtische Museen Freiburg und Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen, Petersberg 2020, S. 90 f., Nr. 8 (Arwed Arnulf).