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Sieben Planetengötter: Jupiter

Sieben Planetengötter: Jupiter

Im Levezow-Album findet sich eine Serie von Darstellungen in Pinsel in Rot, die nicht nur aufgrund der Materialwahl, Sujets und hintereinanderliegenden Abfolge im Album als Gruppe betrachtet werden können, sondern auch aufgrund der gemeinsamen Vorlage: einer Weltkarte des niederländischen Kartografen Willem Blaeu (1571–1638) (Bild sehen)

Es gibt viele Hinweise darauf, dass Levezow die Darstellungen der Elemente, Jahreszeiten und Planetengottheiten von Blaeus Weltkarte Nova totius terrarum orbis geographica ac hydrographica tabula (Amsterdam, erschienen erstmalig 1605) kopierte, die ihm auch in dem Atlas Theatrum Orbis Terrarum Sive Atlas Novvs, in quo Tabvlae et Descriptiones omnium Regionum , Amsterdam: Blaeu 1643, Bd. 1.1 vorgelegen haben kann. Dies zeigt sich durch die fast identischen Darstellungen und deren Reihenfolge im Album, die der Anordnung auf der Karte entspricht. Die Elemente auf der linken Kartenseite sind in derselben Reihenfolge auf der linken Doppelseite im Album zu finden, ebenso wie die rechts positionierten Jahreszeiten. Auch die Anordnung der Planetengottheiten, die auf dem oberen Rand der Karte zu finden sind, wurde auf die Abfolge der Einzelseiten übernommen. Nicht übernommen wurden jedoch die sieben Weltwunder der Antike – ein weiterer Hinweis auf Levezows größeres Interesse an der menschlichen Anatomie.

Levezows Kopiervorlage ist dabei selbst eine Kopie: Die Darstellungen auf der Weltkarte Blaeus basieren auf Kunstwerken von Jan Sadeler d.Ä. nach Maerten de Vos, Maerten van Heemskerck und Hendrick Goltzius, die leicht verändert übernommen wurden. [1] Dies war im 17. Jahrhundert eine nicht unübliche Vorgehensweise, bei der bekannte Grafiken für die künstlerische Gestaltung von Karten verwendet wurden. [2] Diese Kunstwerke dienten dabei jedoch nicht nur der Verzierung, sondern sollten die Weltordnung widerspiegeln und verschränkten Raum und Zeit visuell in der Karte. In der Kartographie wurde also nicht wie bei Levezow um des Übens willen kopiert, sondern um Karten um Weltanschauung und -verständnis zu erweitern. [3]

Karten waren damals nicht nur weitverbreitet, sondern wurden von der Öffentlichkeit als Kunstwerke wahrgenommen, eine Tatsache, die uns zugleich die heute womöglich irritierend wirkende Entscheidung Levezows, eine Karte als Kopiervorlagen zu nutzen, erklärt. [4] Das Unternehmen Blaeus war im 17. Jahrhundert das bekannteste auf dem Kartenmarkt, der auch stark vom florierenden Kunstmarkt beeinflusst wurde. [5] Blaeu war zugleich als Verleger erfolgreich tätig; sein Verlagsunternehmen galt ein Jahr vor seinem Tod als das größte in Europa. Ein Höhepunkt seiner Karriere war seine Tätigkeit als Hydrograph, einem Kartenzeichner, für die Niederländische Ostindien-Kompanie. Schon vorher etablierte er sich mit Erdgloben und Einzelkarten auf dem Kartenmarkt. [6] Die Weltkarte, die Levezow als Vorlage diente, gilt als Blaeus bekannteste und wurde in fünfzig Jahren fünfmal neu aufgelegt. [7] Es liegt daher nahe, dass Levezow diese Karte besessen haben könnte und als Vorlage nutzte.

Die Personifikationen der Elemente und Jahreszeiten sind auf einer Doppelseite in vier vom Künstler gegliederten, gezeichneten Rahmen dargestellt. Die vier Elemente sind auf der linken Seite von oben links nach unten rechts aufgereiht und vom Künstler wie folgt bezeichnet: „IGNIS“ (Feuer), „AER.“ (Luft), „AQUA“ (Wasser) und „TER[R]A“ (Erde). Die Rahmenlinien werden zum Teil auf der rechten Seite fortgeführt, wo die ebenfalls beschrifteten Jahreszeiten dargestellt sind: „VER.“ (Frühling), „AESTAS.“ (Sommer), „AUTUMNUS“ (Herbst) und der nicht vom Künstler bezeichnete Winter (Hiems). Die Zeichnungen wurden mit Pinsel in Rot über Vorzeichnungen in schwarzer Kreide ausgeführt und sind nicht signiert. Die Darstellungen erscheinen detailliert mit einem Fokus auf der Darstellung der Körperanatomien und Attribute. Die Personifikationen und ihre Attribute sind mit großer Präzision ausgeführt, während die landschaftlichen Hintergründe durch Schraffuren, Verwischungen und einzelne Striche eher angedeutet werden.

Besonders auffällig im Vergleich zu den spielkartengroßen Darstellungen der Elemente und Jahreszeiten auf der Doppelseite sind hingegen die Darstellungen der Planetengottheiten. Jede dieser Gottheiten ist auf einer einzelnen Seite dargestellt, wobei die Rückseite freigelassen wurde. Diese Hervorhebung spiegelt sich auch in der Wahl des Materials wider: Neben dem Pinsel in Rot verwendet der Künstler für die Planetengottheiten zusätzlich Rötel und Weißhöhung auf in Ocker grundiertem Papier. Die folgenden Gottheiten sind in dieser Reihenfolge dargestellt und vom Künstler bezeichnet worden: „LUNA“ ( ), „MERCURIUS“ ( ), „VENUS“ ( ), „SOL“ ( ), „MARS“ ( ), „IUPITER“ ( ) und „SATURNUS“ ( ). Durch die Verwendung von Weißhöhungen werden in diesen Darstellungen die Körper und Attribute besonders hervorgehoben. Im Gegensatz dazu ist die Umgebung der Landschaft wie bereits bei den Elementen und Jahreszeiten lediglich angedeutet. Aufgrund der Größe der einzelnen Darstellung und der Materialien ging es hier womöglich weniger um die Übung der Körperanatomie als um das Anwenden von Erlerntem und möglicherweise um das Heranwagen an kleinere Historiendarstellungen. Dazu passt, dass Joachim Etzekiel Levezow die Darstellung des obersten Gottes Jupiter mit seinem Monogramm JEL signierte, vielleicht eine – augenzwinkernde – Selbstreferenz. Zumindest zeugen die größeren Darstellungen von einer gewissen Sicherheit in der Ausführung des Dilettanten und ebenso von einem gewissen Bildungsgrad und damit einhergehenden Wohlstand, der sich aus dem Wissen über diese Darstellungen und Vorlagenkenntnisse erläutern lässt.

Autor:in: Anna Friedrichsen

Fußnoten

[1] Vgl. Ariane Koller: Weltbilder und die Ästhetik der Geographie. Die Offizin Blaeu und die niederländische Kartographie der Frühen Neuzeit. Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Band 13, Affalterbach 2014, S. 139.

[2] Koller 2014, S. 151.

[3] Koller 2014, S. 46 und S. 166.

[4] Koller 2014, S. 246.

[5] Koller 2014, S. 244.

[6] Vgl. zu Blaeu: C. Koemann: Life and works of Willem Janszoon Blaeu. New contributions to the study of Blaeu, made during the last hundred years, in: Imago Mundi 26 (1972), S. 9-16, S. 12-14.

[7] Koller 2014, S. 137 und 138.