Die Darstellung des Evangelisten Johannes ist eines von vier Blättern im Levezow-Album, das ein religiöses Thema zeigt. Bei den anderen handelt es sich um den eingeklebten Kupferstich des Jüngsten Gerichts, ( ) die sieben christlichen Tugenden, (
) und die Darstellung von Christus im Hause von Maria und Martha. (
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Das Blatt ist unbezeichnet, aber die Attribute liefern die genauen Hinweise für die Identität der gezeichneten Figur: Seit dem 14. Jahrhundert wird dem Hl. Johannes ein Kelch mit daraus entsteigender Schlange beigegeben. Dies geht auf eine in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine (1228/29–1298) überlieferte Heiligenlegende zurück. Der Oberpriester im Tempel der Artemis in Ephesos habe Johannes vor die Wahl gestellt, entweder den heidnischen Göttern zu opfern oder aus einem Giftkelch zu trinken. Johannes habe den Kelch bekreuzigt, aus dem sofort das Gift in Gestalt einer Schlange entwichen sei, ohne dem Heiligen zu schaden.
Der Heilige steht auf einem nach antiken Vorbildern stilisierten, mit seinem Namen bezeichneten Sockel und schaut nach links. Sein Körper ist mit einem schweren, sehr voluminösen und mit Pelz gefüttertem Mantel verhüllt, der nahezu die ganze Figur verdeckt. Nur das linke Spielbein tritt hervor und die nackten Füße unter dem Saum der Tunika sind zu sehen. Allerdings ist nur der linke Fuß gut zu erkennen, der rechte verschwindet im Schatten des Mantels. Der Mantel verbirgt mit seiner stofflichen Schwere die Körperumrisse des Heiligen. Nur der linke Arm, der den in der rechten Hand gehaltenen Kelch stützt, wird durch die hell-dunkel Flächen plastisch modelliert. Die Stoffenden des Mantels sind mit der linken Hand vor dem Körper zusammengerafft. Die verhüllte Linke stützt den Kelch, aus dem sich eine Schlange herauswindet. Johannes hat ein jugendliches Haupt mit langem lockigen Haar und einen kurzen Stoppelbart. Er blickt auf die sich aus dem Kelch herauswindende Schlange.
Die Figur wurde mit einem Pinsel mit schwarzen dünnen Linien gezeichnet, die teilweise mit ebenfalls dünnen Strichen den Pelzbesatz des Mantels betonen. Die Modellierung des Mantels wird mit großen, teilweise zusammenhängenden Flächen grau laviert. Der Sockel ist nur mit einer einfachen Linie ebenfalls schwarz ausgeführt.
In der Sammlung des Rijksmuseums in Amsterdam befindet sich ein Stich von dem Stecher und Verleger Pieter de Bailliu (I) (LINK_1) [1] nach Theodor van Thulden, [2] an dem sich Levezow mit seiner Zeichnung weitgehend orientiert haben dürfte. Allerdings ist Levezows Heiliger nach rechts gewendet.
Dies ist jedoch der auffälligste Unterschied, ansonsten ähnelt Levezows Hl. Johannes in vielen Details der Figur von Bailliu. Die Faltenführung, die Schatten und die seltsam geformten Finger der rechten Hand versuchte Levezow nach der Vorlage zu zeichnen. Er verzichtet auf das Licht des strahlenartigen Heiligenscheins, der bei dem Stich von Bailliu direkt vom Hinterkopf des Heiligen auszugehen scheint. Der Blick von Johannes ist auch nicht zum Himmel gerichtet, sondern er schaut auf den Kelch mit der sich herauswindenden Schlange. Der auffällige „Stoppelbart“ von Johannes ist dagegen eine Zugabe von Levezow, der hier technisch den Kupferstich zu imitieren versucht.
Wie beliebt Ballieus Darstellung des Evangelisten Johannes war, zeigt eine Zeichnung des Hinterglasmalers Ulrich Daniel Metzger nach Pieter van Ballieu aus dem Jahr 1708 .
[1] Apostel Johannes met miskelk en slang, naar Theodoor van Thulden, 1623 – 1660, Katalogreferenz, RP-P-BI-498. Pieter de Bailliu (I) (1613–nach 1665) hat die erste Graphikserie um 1640–1644 in Antwerpen herausgegeben, vgl. F.W.H. Hollstein: Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts ca. 1450–1700, Bd. I, S. 72, Kat. Nr. 27.
[2] Hollstein’s Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts ca. 1450–1700, Vol. XXX, T[h]eunissen - den Uyl, S. 101-134.